Das Amtsgericht Fulda hatte in I. Instanz darüber zu entscheiden, ob die vom Versicherer geltend gemachten Provisionsrückforderungen gegen den ausgeschiedenen Vermittler begründet sind, wobei sich der Vortrag des Versicherers im Wesentlichen auf eine tabellarische Darstellung der Teilforderungen beschränkte und der Versicherer für alle Forderungen im dreistelligen Bereich pauschal behauptete, die Nichtausführung der Verträge sei nicht zu vertreten, unter anderem durch den Hinweis auf die Nachteile einer Kündigung bzw. die Möglichkeit einer privaten Fortführung des Vertrages durch die versicherte Person im Rahmen eines bAV-Vertrages. Im zweistelligen Bereich, mithin bei den Kleinststorni war der Versicherer der Auffassung, eine Nachbearbeitung sei entbehrlich. Selbst nach dem Hinweis des Beklagten, dass die Forderung nicht substantiiert dargelegt sei und dass weder für die Stornierung als auch für die Nachbearbeitungsmaßnahmen Nachweise vorgelegt wurden. Mangels konkreter Substantiierung hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Die anschließende Berufung des Versicherers beim Landgericht Fulda (Az.: 1 S 38/19, 08.11.2019) blieb ohne Erfolg.

Das Amtsgericht habe die Klage gerichtet auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen im Ergebnis zu Recht abgewiesen und das Vorbringen der Klägerin als unschlüssig und nicht ausreichend substantiiert behandelt. Das Landgericht führte wörtlich aus:

Gemäß §§ 92 Abs. 2, 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB entfällt der Anspruch des Versicherungsvertreters auf Provision im Falle der Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer nur dann, wenn und soweit die Nichtausführung auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Die Nichtausführung des Vertrags ist dabei schon dann nicht von dem Versicherungsunternehmen zu vertreten, wenn es notleidende Verträge in gebotenem Umfang nachbearbeitet hat. Art und Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Nachbearbeitung notleidender Verträge bestimmen sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Das Versicherungsunternehmen kann grundsätzlich entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, oder sich drauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten (BGH, Urteil vom 28.06.2012 – VII ZR 130/11, Rn. 15 m.w.N). Dementsprechend ist für die Begründung eines Provisionsrückforderungsanspruchs insbesondere die Darlegung der ordnungsgemäßen Nachbearbeitung der einzelnen notleidenden Versicherungsverträge erforderlich. Behauptet die Versicherung – wie im vorliegenden Fall – eigene Maßnahmen ergriffen zu haben, muss vorgetragen werden, dass und mit welchem Inhalt eine ausreichende Nachbearbeitung ausnahmsweise entbehrlich gewesen ist, und zwar für jeden einzelnen rückabzuwickelnden Versicherungsvertrag.

Diesen in der Rechtsprechung allgemein anerkannten Anforderungen wird der klägerische Vortrag zu keinem der Versicherungsverträge gerecht. Hierauf hatte der Beklagte in erster Instanz bereits seinen Antrag auf Klageabweisung gestützt und auch das Amtsgericht hat damit die Zurückweisung der Klage begründet, sodass es weitergehender Hinweise der Kammer nicht bedurfte.

  1. Vertrag

Hinsichtlich des Versicherungsvertrages XXXXX hat die Klägerin lediglich dargelegt, dass dem Versicherungsnehmer nach erfolgter Beitragsfreistellung mitgeteilt worden sei, dass der Vertrag vergütungslos erlöschen werde, wenn keine Rückmeldung erfolge. Dieser Vortrag ist zur Darlegung der Nachbearbeitungsmaßnahmen nicht ausreichend. Denn im Interesse des Vertreters ist der Versicherer in jedem Fall gehalten, die Gründe für die Beitragsfreistellung/ Nichtzahlung zu erforschen und gemeinsam mit dem Versicherungsnehmer nach einer Lösung zu suchen. Hierfür wird regelmäßig eine persönliche Rücksprache mit dem Schuldner erforderlich sein, bei der etwa eine Vertragsänderung diskutiert werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Januar 2017, I-16 U 32/16 zitiert nach juris). Im vorliegenden Fall wurde dem Versicherungsnehmer aber gerade nur die Konsequenz der derzeitigen Beitragsstillegung vor Augen geführt, was keine Nachbearbeitungsmaßnahme darstellt.

Soweit die Klägerin behauptet, der Versicherungsnehmer sei weder bereit noch in der Lage gewesen, die Beitragszahlung aufzunehmen, sodass eine Nachbearbeitung von vornherein aussichtlos gewesen sei, handelt es sich hierbei um eine ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, die sie in keiner Weise mit Tatsachenvortrag untermauert hat. Dementsprechend war dem Beweisangebot auf Vernehmung des Versicherungsnehmers auch nicht nachzugehen, da dies auf eine im Zivilprozess unzulässige Ausforschung des Sachverhalts hinauslaufen würde.

  1. Vertrag

Auch hinsichtlich des Versicherungsvertrages XXXXX hat die Klägerin die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt. Hier hat die Klägerin lediglich vorgetragen, dass sie die Versicherungsnehmerin, eine GmbH, aufgrund von Beitragsrückständen angemahnt und dem Versicherten angeboten habe, die Beiträge privat zu leisten. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht kann aber allein aus einem Beitragsrückstand nicht auf eine Entbehrlichkeit der Nachbearbeitung geschlossen werden. Im Gegenteil: Ausbleibende Beitragszahlungen sind der klassische Fall, in dem ein Bemühen um eine Rettung des notleidenden Versicherungsvertrages stattzufinden hat. Der Versicherer darf sich gerade nicht einfach auf die Berechtigung zur Kündigung und den Eintritt der Kündigungsfiktion gemäß § 38 VVG zurückziehen, sondern muss um die Aufrechterhaltung des Vertrages in geeigneter, den Wünschen und finanziellen Möglichkeiten des Versicherungsnehmers wie des Versicherungsvertreter Rechnung tragender Gestalt bemüht sein (vgl. Emde, in: Staub, HGB, 5. Auflage, § 92 Rn. 12). Wie oben dargestellt muss die Klägerin versuchen, die Gründe für die Nichtzahlung zu erforschen und gemeinsam mit dem Prämienschuldner nach einer Lösung zu suchen. Hierfür werden regelmäßig eine persönliche Rücksprache mit dem Schuldner sowie eine nachdrückliche Zahlungsaufforderung erforderlich sei. Derartige Nachbearbeitungsbemühungen hat die Klägerin nicht dargelegt, sodass auch hier die Vernehmung des Versicherten eine unzulässige Ausforschung des Sachverhalts darstellen würde.

  1. Verträge

Die Klägerin genügt ihrer Darlegungslast auch nicht bezüglich der Versicherungsverträge XXXX, XXXX, XXXXX, die von dem jeweiligen Versicherungsnehmer gekündigt wurden.

a. Entgegen der Auffassung der Klägerseite sind Nachbearbeitungsmaßnahmen auch bei Verträgen, die durch den Versicherungsnehmer gekündigt wurde, grundsätzlich erforderlich. Denn ob eine Nachbearbeitung der Versicherungen ausnahmsweise entbehrlich ist, weil sie nicht erfolgversprechend ist, kann nicht allein aus der Art der Beendigung des Vertrages hergeleitet werden (LG Hamburg, Beschluss vom 12.06.2018 – 305 S 52/17 ). Hinzu kommt, dass sich aus dem Vortrag der Klägerin bisher nicht ergibt, warum der jeweilige Versicherungsnehmer überhaupt gekündigt hat, sodass die Behauptung, der Kündigungsausspruch sei unabänderlich, ins Blaue hinein und ohne jegliche Substanz erfolgte.

b. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, den Versicherungsnehmer auf die wirtschaftlichen Nachteile einer Kündigung hingewiesen zu haben, stellt dies keine ausreichende Nachbearbeitungsmaßnahme dar (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 01.12.2010 – VIII ZR 310/09). Gleiches gilt für das gleichzeitig ausgesprochene Angebot, zur Vermeidung der Kündigung ein persönliches Gespräch mit dem Versicherungsnehmer zu führen. Hierbei handelt es sich nicht um ein aktives Tätigwerden der Klägerin und damit auch nicht um eine ausreichende Nachbearbeitungsmaßnahme. Denn das Angebot zu einem Persönlichen Gespräch erfolgte nach dem Vortrag der Klägerin in dem gleichen Schreiben, in dem auf die Nachteile der Kündigung hingewiesen wurde und ist dort als Standardformulierung aufgenommen. Dies ist für den jeweiligen Versicherungsnehmer auch eindeutig erkennbar, sodass nicht davon auszugehen ist, dass irgendjemand dieses Angebot von sich aus in Anspruch nimmt. Das Schreiben ist daher insgesamt nur ein allgemeiner Hinweis auf die wirtschaftlichen Konsequenzen der Kündigung. Ein Bemühen der Klägerin zur Rettung des Vertrages ist darin nicht zu sehen. Es liegt gerade keine Gleichwertigkeit mit dem – fiktiven – Bemühen eines Versicherungsvertreters vor, der üblicherweise seinen persönlichen Kontakt zum Kunden nutzen wird, um die Gründe der Kündigung aufzuklären und Möglichkeiten einer Abhilfe auszuloten (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 9. Juli 2009, Az.: 12 U 254/08 zitiert nach juris, Rn. 7).

  1. Fälle der Kleinstorni

Auch für die Fälle der Kleinstorni ist die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht ausreichend nachgekommen.

Fazit:

Das Urteil des LG Fulda reiht sich in die aktuellen Urteile zu den Anforderungen an die Darlegung und die Nachbearbeitung ein. Der Versicherer kann sich damit nicht mehr pauschal darauf zurückziehen, dass eine Nachbearbeitung nicht erfolgversprechend gewesen wäre, wenn er nicht zugleich Anhaltspunkte, wie z.B. einen Risikowegfall, eine Insolvenz, etc. vortragen kann.